Der Engagementatlas gibt Ausblick in die Zukunft bis 2050

Die Veränderungen sind auch für das Bürgerengagement bedeutsam

Loring Sittler hat wesentlich mitgearbeitet

Das zentrale Anliegen des Generali Engamentatlas 2015 besteht darin, erstmals eine quantitative und qualitative Gesamtbetrachtung des Feldes der engagementunterstützenden Einrichtungen vorzunehmen. Insbesondere folgende Fragen waren bisher mangels empirischer Grundlage nicht ausreichend zu beantworten: Welche Einrichtungen gibt es insgesamt in der Fläche und welche Aufgaben werden von ihnen erfüllt? Welche Zielgruppen und welche Themenfelder sprechen sie an? Welche finanzielle und personelle Ausstattung steht ihnen dafür zur Verfügung und welche Kooperationsbeziehungen bestehen untereinander und zu den anderen Sektoren?

 

Der Generali Engagementatlas 2015 gibt den Anstoß, den bisherigen Diskurs über Infrastruktureinrichtungen in Richtung eines Diskurses über Engagementregionen weiter anzufachen und strategisch zu entwickeln. Dabei muss beachtet werden, dass Einrichtungen der Engagementförderung nur Wirkung entfalten können, wenn sie über eine zweckmässige Ressourcenausstattung verfügen und wenn sie in arbeitsteilige Kooperationsnetzwerke mit der Politik, der Wirtschaft und den anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren eingebunden sind.

 

Drei Zentrale Ergebnisse

1. DER FLICKENTEPPICH

Rund 3.400 Engagement unterstützende Einrichtungen exis­tieren bundesweit. Auffällig ist die regional sehr unterschiedliche Verteilung der Einrichtungstypen. Ob Mehrgenerationen-haus, kommunale Stabsstelle oder Freiwil­ligenbüro – kein Typus konnte sich flächen-deckend durchsetzen. Stattdessen gibt es Ballungsgebiete und blinde Flecken. 

2. DIE SPEZIALISTEN UND GENERALISTEN

Die Mehrheit der Engagement unterstützenden Einrichtungen haben Überschneidungen im Leistungsportfolio und bei der Zielgruppenansprache. Für Senioren gibt es die meisten Angebote. Es fehlt häufig an einer klaren Definition dieser Tätigkeit mit der dazugehörigen Budgetierung. Zwischen den einzelnen Einrichtungen herrscht eher Koexistenz, strategische Partnerschaften werden selten eingegangen. Auch mit Unternehmen gibt es wenig langfristige Kooperationen

3. DIE MANGELVERWALTER

Ein Großteil der Engagement unterstützenden Einrichtungen ist unterfinanziert und personell unzureichend ausgestat­tet. Grund dafür ist die starke Abhängigkeit von öffentlichen Geldern und Projektförderungen. Nachhaltige Finanzierungs­pläne sind die Ausnahme. Die Folge sind personelle und zeitliche Engpässe. Ein Teufelskreis, denn so stehen für strategische Planungen und den Aufbau von langfristigen Kooperationen zu wenig Ressourcen zur Verfügung.

Fazit: Die Ergebnisse des Engagementatlas 2015 zeigen deutlich, dass es trotz erheblicher finanzieller Anstrengungen bisher nicht gelungen ist, eine profilierte, unabhängige und nachhaltige Infrastruktur für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements aufzubauen. Das kritische Fazit stellt keineswegs die Leistungen der Einrichtungen vor Ort in Frage. Im Gegenteil: Die Kreativität, Kompetenz und Leistungsbereitschaft ist enorm. Sie allein reicht jedoch nicht, um das Fehlen einer Gesamtstrategie zu kompensieren. Der Generali Zukunftsfonds meint: Es ist Zeit zu handeln. 

Am Ende der Studie sind vier Handlungsempfehlungen aus den Erkenntnissen abgeleitet worden.

1. NICHT EINRICHTUNGEN, SONDERN ENGAGEMENTREGIONEN FÖRDERN

In der Förderpolitik von Bund, Ländern und Kommunen muss ein Paradigmen-wechsel stattfinden. Statt weiterhin einzelne, voneinander losgelöste Modellpro-gramme und Fördertöpfe ins Leben zu rufen, die jeweils einen bestimmten Einrichtungstypen unterstützen und die „Projektitis“ begünstigen, bedarf es einer föderal abgestimmten und nachhaltigen Förderstrategie. Es gilt, das große Ganze im Blick zu behalten und auf einen sinnvollen Einrichtungsmix vor Ort zu setzen. Grundlage für neue Förderstrukturen sind u.a. die haushaltsrechtliche Definition von Engagementförderung als kommunale Pflichtaufgabe sowie die Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern.

2. KOMMUNEN MIT FÖRDERINSTRUMENTEN AUSSTATTEN UND ABSTIMMUNGS-PROZESSE VERBESSERN

Engagementregionen können nur vor Ort entstehen. Allein lokale Verantwortungs-gemeinschaften besitzen das notwendige Wissen über den Bedarf und Gegebenheiten in ihrer Region. Bund, Länder und überregional aktive Förderer sollten diese Entwicklungen durch unterstützende Angebote, wie zum Beispiel Wissenstransfer und Prozess-Knowhow, begleiten. Für dieses Vorgehen ist eine verbesserte Abstimmung zwischen allen beteiligten Akteuren unerlässlich.

3. ZIVILGESELLSCHAFTLICHE SYNERGIEN KONSEQUENT NUTZEN

Das Konzept lokaler Engagementlandschaften erfordert nicht nur von der Politik neue Handlungsmuster. Auch die Einrichtungen dürfen sich nicht länger an den eigenen Möglichkeiten und den Erhalt der eigenen (zumeist prekär ausgestatteten) Strukturen orientieren. Um ge­meinsame Ziele zu erreichen, gilt es, Mut aufzubringen und Synergien konsequent zu nutzen. Auch wenn dies die Aufgabe bisheriger Verantwortungsbereiche oder das Zusammenlegen von Ressourcen bedeutet.

4. UNTERNEHMENSBÜRGER EINBINDEN

Unternehmen sind weit mehr als reine Sponsoren, die punktuell Veranstaltungen oder Projekte fördern. Sie sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft, die es – ganz im Sinne des gemeinsamen Wirkens – als langfristige und strategische Partner zu gewinnen gilt. Für viele Engage­ment unterstützende Einrichtungen ist die Zusammenar­beit mit Unternehmen Neuland. Dies muss sich ändern, auch wenn der Aufbau von Unternehmenspartnerschaf­ten Zeit und Kreativität erfordert. 

Die Herausforderungen des demografischen Wandels müssen stärker als bisher berücksichtigt und im gemeinsamen Handeln gemeistert werden. Darin besteht die große Chance, die aber auch tatkräftig genutzt werden muss.

Engagement-Atlas